Verschieden und doch gleich

Beteiligungswerkstatt in Mainz, Thema: "Welche Werte sind wichtig bei der Heimerziehung?"

Ich stehe an der Eingangstür des Don Bosco Hauses in Mainz. Nach fast zwei Stunden Fahrt bin ich müde und schaue etwas lethargisch wie ein Jugendlicher nach dem anderen die Türe hereinspaziert. Im Anhang die Betreuer, meist so jung, dass ich schon raten muss wer Betreuer und wer Heimbewohner ist. Bei der Anmeldung höre ich Herkunftsorte wie Trippstadt, Landstuhl, Hamm, Kaiserslautern und sehe Persönlichkeiten unterschiedlichster Art: von groß bis klein, dick oder dünn, heller oder dunkler Hautfarbe, Typen in Anzügen und in Jogginghosen, ist alles dabei.

Nach einer Begrüßung und kleinen Anfangsfragerunde, wer wie lange herfahren musste, wer welche Sockenfarbe trage oder wer ein Betreuer sei, ging es zu der ersten schweren Aufgabe. Nun sollte sich jeder drei Werte aufschreiben, die ihm in der Wohngruppe, in der er lebt, wichtig seien und diese mit den Teilnehmern der eigenen Institution besprechen. Hilfestellung hierfür gab ein Meer, ausgelegt auf dem Boden, aus tausend Werten. Ich war baff über diese Vielfalt an Werten und hatte gar nicht damit gerechnet, dass überhaupt so viele existieren. Umso schwerer war demnach die Herausforderung, die drei wichtigsten zu finden!

Den restlichen Tag würde ich als eine Art roten Leitfaden mit individuellem Spielraum beschreiben. Ziel war es tatsächlich, am Ende die für uns wichtigsten Werte für das Zusammenleben in unserer Wohngruppe "Villa Phoenix" zu finden. In der Zielfindungsphase wurden wir immer wieder vor Herausforderungen gestellt. Sei es die Konfrontation mit Meinungen anderer Jugendlicher, die Kommunikation mit jungen Flüchtlingen, die Französisch sprachen, Diskussionen oder Interaktionsspiele, bei denen wir aus uns herauskommen und Berührungsängste überwinden mussten.

Nach einem anstrengenden Tag hatten wir letztlich alle das Ziel erreicht! Zu sehen war dies anhand von selbst gestalteten Abschlussplakaten jeder einzelnen Wohngruppe. Hier konnte jeder kreativ gestalten, welche Werte das Fundament darstellen, welche sie seitlich stützen und welche das Dach bilden. Spezifisch für die Wohngruppe Villa Phoenix arbeiteten wir heraus, dass unser Fundament aus dem Wert "Respekt" besteht. Ein respektvolles Verhalten beinhaltet den freundlichen Umgang miteinander, die Toleranz jedes Individuums oder aber den Ausschluss von Beleidigungen und Diskriminierungen. Somit ist Respekt die Voraussetzung für alle anderen Werte. An oberster Stelle bildet der "Spaß" das Dach unserer Wohngruppe. Denn Spaß zu haben bedeutet, trotz vielleicht schwieriger Lebensumstände, der Natur des Menschen zu folgen, auch mal lachen, loslassen oder gar entspannen zu können.

Zusammengefasst war dieser Tag mehr als erfolgreich. Denn neben dem Hauptziel, die wichtigsten Werte in der Heimerziehung zu erarbeiten, lernten wir verschiedenste Leute sowie Wohngruppenkonzepte kennen. Auch wenn wir die einzige mit einem therapeutischem Schwerpunkt waren, mussten wir letzten Endes alle feststellen: Egal wo du herkommst, wie alt du bist, wie du aussiehst, welche Krankheit du hast oder eben nicht hast – die Werte, die uns wichtig sind, um ein gemeinsames, schönes Zusammenleben zu erreichen, sind alle gleich!

Verfasst von Juliane Eichhorn